Das Weisheit-Quartett spielt im großen Feld von Meditation und Wissenschaft.
Eine Schauspielerin, ein Quantenphysiker, ein Geschäftsführer und eine Zen-Lehrerin plus ein und dieselbe Frage? Ergibt (Schwarm-)weise-Antworten!
Dass Silvester-Vorsätze meist für die Katz sind und für wenig echte Verhaltensänderung sorgen – geschenkt. Doch selbst wenn der Arzt aus guten Gründen einen anderen Lebenswandel vorschlägt, fällt es vielen Menschen schwer, die Schokolade liegenzulassen oder mehr Sport zu machen. Und das, obwohl es um die eigene Gesundheit geht. Wie viel schwerer wird es dann wohl sein, das Leben zu wandeln, wenn es um die globale Klimakrise geht?
Daher die Frage: Welche Bedingungen braucht Wandel, wann gelingt er?
Alexandra Huss
Foto @ Martina Thalhofer
„Bei der Aufnahmeprüfung an der Schauspielschule wurde ich gefragt, warum ich Schauspiel studieren will. Meine Antwort lautete prompt: weil ich mich verwandeln will.“
Bei der Aufnahmeprüfung an der Schauspielschule wurde ich gefragt, warum ich Schauspiel studieren will. Meine Antwort lautete prompt: weil ich mich verwandeln will. Ein unglaubliches Geschenk, das uns die Schauspielkunst gibt, ist ja eben der Wandel – vielleicht, wahrscheinlich ist er sogar ihr Kern: sich verwandeln dürfen, in fremde Rollen schlüpfen, sie wieder ablegen, sich selbst in völlig fremden, unerforschten Zuständen erleben.
Schauspiel wäre ohne Verwandlung, ohne den Wandel undenkbar. Dabei hat mich immer beschäftigt, ob der Wandel etwas hinterlässt, ob er faktisch verändernd ist, oder ob man ihn, wie eine Rolle oft suggeriert, anprobiert wie einen Mantel, den man wieder ablegen kann. Bin ich unverändert von den Verwandlungen, die mein Beruf mir abverlangt (oder schenkt), oder verändert der Wandel immer auch ein kleines Stück das Selbst, die Privatperson?
Bei dem Titel des Journals „Wandel? Ohne mich!“ kam mir meine alte Hoffnung in den Sinn: hoffentlich – hoffentlich! – kann ich den Zustand der Rolle wieder ablegen wie einen alten Mantel, hoffentlich verschwimmt all das nicht eines Tages. Wie gerne hätte ich eine direkte Antwort darauf, wie Wandel gelingt! Und doch muss ich mich wohl mit der Ungelöstheit anfreunden, denn sie kommt der Realität, wie ich sie im Schauspiel erlebe, am nächsten.
Alexandra Huss übt seit einigen Jahren Zen. Gerade hat sie ihre Ausbildung als Schauspielerin mit einem Bachelor abgeschlossen. Zuvor hat sie zwei Semester Philosophie studiert. Heute lebt sie in der Schweiz auf einem Hof für vegane Landwirtschaft.
Jürgen Eschner
Foto @ Oliver Dietze
„Gefühlte Stabilität ist manchmal trügerisch. Für die großen Ungleichgewichte muss man denen vertrauen, die in der Lage sind, sie zu messen.“
Wandel ist das Gegenteil von Stillstand und entsteht aus Ungleichgewicht. Der Wunsch nach Stabilität steht Wandel insofern manchmal entgegen: lieber Balance statt Imbalance; statt Lebenswandel lieber Lebensstillstand.
Gefühlte Stabilität ist andererseits manchmal trügerisch, weil die langsamen, aber großen Ungleichgewichte, allem voran der Klimawandel, so viel weniger spürbar sind als die kleinen täglichen Unbequemlichkeiten. Letztere fühlt und beseitigt man leicht, für die großen Ungleichgewichte muss man denen vertrauen, die in der Lage sind, sie zu messen und sie in die Zukunft zu projizieren – und denen zuhören, die davon am meisten betroffen sein werden.
Mit denjenigen, die einen „Heul doch, Greta“-Sticker auf ihren SUV kleben, gelingt der Wandel sicher nicht. Umso mehr müssen wir Wandelbereiten uns auf das Gegenteil einlassen, zuhören, reagieren, den Rest SUV-Mentalität in uns selbst bekämpfen, kleine und eventuell auch größere Einschränkungen akzeptieren.
Prof. Dr. Jürgen Eschner, Physik, Universität Saarland, Die experimentelle Forschung von Jürgen Eschner und seinen Mitarbeitern widmet sich der kontrollierten Wechselwirkung zwischen Licht und Materie im quantenmechanischen Bereich.
Gerhard Bader
Foto @ Thomas Appel
„Hilfreich sind Vorbilder, gelebte Beispiele einer kritischen Masse, die die Übrigen mitzieht“
Aus meiner Erfahrung erfolgt Wandel selten einfach so, zumindest, wenn er emotional keine Verbesserung verspricht oder der Status Quo noch gut erträglich ist. Außerdem braucht Wandel Gewöhnung an das Neue, es muss in Fleisch und Blut übergehen, trainiert und zusätzlich am besten systemisch verankert werden. Hilfreich sind auch Vorbilder, gelebte Beispiele einer kritischen Masse, die die Übrigen mitzieht. Eine Aufbruchstimmung. Altes wird aufgebrochen, alte Wege werden verlassen, neue Ziele gemeinsam angepeilt.
Diese Dynamik und Energie sind auch für Organisationen wie die Unsere ganz wichtig, um aktuelle Lebenswirklichkeiten zu reflektieren und mit gesellschaftlicher Verantwortung das richtige Angebot zu haben. So greifen wir das Thema „Werte“ immer wieder neu auf, reflektieren, wie wir Wandel an uns selbst wahrnehmen. Wir nutzen auch Irritationen auf dem Weg, um gewohnheitsmäßige soziale Reaktionen auf ihre Zeitgemäßheit hin zu überprüfen, die Wahrnehmung der „Realität“ abzugleichen und neue Kommunikationsformen zu vereinbaren.
Wandel braucht auch Wissen. In diesem Fall den unserer Kollegin aus dem Kursbüro, die uns mit ihrer Expertise in Umweltschutz und Nachhaltigkeit unermüdlich und konstant dazu inspiriert, z.B. die nächtlichen Lichtverschmutzung, dem Strom- und Wasserverbrauch zu reduzieren und auf umweltverträgliche Optionen umzusteigen.
Gerhard Bader ist der Geschäftsführer des Benediktushofes in Holzkirchen, einem Zentrum für Meditation und Achtsamkeit in den Gebäuden eines ehemaligen Benediktinerklosters aus dem 8. Jahrhundert. Der studierte Wirtschafts-Ingenieur meditiert seit vielen Jahren.
Friederike Boissevain
Foto @ privat
„Was ist so falsch an Veränderung? Sicher ist angenehm – ernsthaft? Seit wann mögen wir es eng und vorhersehbar?“
Zen-Meister Dogen Zenji schreibt in „Genjokoan“: „… Unkraut sprießt, obgleich wir es nicht mögen“.
Vergänglichkeit, Bewegung gehören zum Webmuster unseres Lebens. Wir meinen, uns zu dieser Grundbedingung unseres Seins stets äußern zu müssen (meistens negativ), und sei es nur, um etwas hinzuzufügen (von uns!). Um in der Folge am Ergebnis zu leiden, denn dieses wird selten so erscheinen, wie wir es uns vorgestellt haben.
Was ist so falsch an Veränderung? Sicher ist angenehm – ernsthaft? Seit wann mögen wir es eng und vorhersehbar? Gefallen uns Menschen, die immer das Gleiche tun und sagen, die alles „wissen?“ Stimmt unsere Abneigung gegenüber Wandel, die in unserem Kopf stattfindet, mit unserer Erfahrung von Veränderungen überein? Es ist an der Zeit, uns dem Wandel zu ergeben.
Wir könnten uns dazu hinreißen lassen, uns in den Strom dieses faszinierenden Kaleidoskops zu begeben, das wir unser Leben nennen, und erfahren, dass die Welt mehr zu bieten hat, wenn wir uns nicht vor ihre Linse positionieren: mit unserem entzückenden Standpunkt, der in etwa fünf Jahre alt ist. Als spirituell Übende versuchen wir uns darin, die Kunst des Lebens zu meistern, bevor der eine, der finale Wandel uns ereilt.
Dr. med. Dr. phil. Friederike Juen Boissevain MSc, Zen-Lehrerin in der Soto-Zen Tradition von Shunryu Suzuki. Sie ist Ärztin für Innere Medizin, Krebserkrankungen und Palliativmedizin, Vorsitzende eines ambulanten Hospizdienstes und Geschäftsführerin eines stationären Hospizes.
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