Maja Göpel: Wir sind „Wirks“

Weisheits-Journal

Ausgabe

03/2023
Zur Inspiration

Maja Göpel: Wir sind „Wirks“

„Ich habe das Gefühl, dass uns für den Aufbruch weniger die Ideen fehlen als vielmehr die Überzeugung, dass wir diese auch Umsetzen können. Womöglich fehlt das Vertrauen, den ersten Schritt zu wagen und die Zuversicht, dass viele bereit sind, mitzugehen.“ Gleich zu Beginn legt Maja Göpel den Finger in die Wunde eines unserer übermächtigsten Gefühle, Ohnmacht. Oder auch Vergeblichkeit. Das Gefühl, nichts als ein Tropfen auf den heißen Stein zu sein. Gleich, ob als Individuum (was hilft es schon, wenn ich im Bioladen einkaufe?) oder als deutsche Nation im Konzert der großen internationalen Umweltsünder (und was ist mit China? Oder Indien?) – ein Gefühl, das so viele Menschen in Deutschland eint. Und lähmt.

Gegen dieses Gefühl brennt Maja Göpel ein kleines Feuerwerk von Gegenargumenten ab, bringt Beispiele aus den unterschiedlichsten Bereichen. Berichtet von einem Privatunternehmer, der Insektenfallen produzierte. Und irgendwann merkte, welchen Schaden diese in Sachen Biodiversität und Artenvielfalt bedeuteten. Heute verkauft der Mann in Anlehnung an Katzenklappen Insektenklappen im großen Stil. Die Autorin wählt aber auch gelungene Beispiele aus dem öffentlichen Leben, wie z.B. Anne Hidalgo, Pariser Bürgermeisterin seit 2014. Wiedergewählt, obwohl sie ankündigte, die Hälfte der öffentlichen 70 000 Parkplätze in Paris zu Grünflächen umzuwidmen und Tempo 30 in ganz Paris einzuführen, um nur zwei von vielen Beispielen zu nennen, wie den Menschen der öffentliche Raum in der Stadt zurückgegeben werden sollte.

Prof. Dr. Maja Göpel ist seit 25 Jahren Politökonomin und Nachhaltigkeitswissenschaftlerin an der Schnittstelle von Wissenschaft, Politik und Gesellschaft und heute eine gefragte Rednerin. Sie ist Honorarprofessorin an der Leuphana Universität Lüneburg und war bis Ende 2020 Generalsekretärin des Wissenschaftlichen Beirats der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen (WBGU). Maja Göpel ist Mitglied im Club of Rome und Mitinitiatorin der Initiative „Scientists for Future“.

Warum wir „Wirks“ sind

Das Buch ist voll von Geschichten wie diesen. Die Zuversicht entsteht aus der Summe der Geschichten, präziser dem Zusammenspiel der Geschichten. Denn die Lösung liege gerade nicht im Betrachten des Einzelnen, sondern in den Beziehungen. Göpel zeigt, dass wir Teilnehmende sind, ob wir wollen oder nicht.

Sie nennt uns „Wirks“, weil wir aufeinander wirken, und zitiert dazu unter anderem den Physiker Hans Peter Dürr:

„Alles, was wir tun oder nicht tun, hat Auswirkungen auf das Ganze. Denn wir alle sind Mitschöpfer.
Wir können natürlich nicht die Welt beliebig ändern, aber wir tragen mit unseren Erfahrungen immer zum Gesamten bei.
Aus dieser Erfahrung der Teilhabe erwächst uns die unverbrüchliche Verantwortung für die Bewahrung dieser Welt.“

Bange machen gilt nicht

Natürlich weiß die Autorin um die Größe des gesellschaftlichen Wandels, reiht ihn ein in die großen Meilensteine der Menschheit. Die große Transformation, die uns bevorstehe, sei ein „Umbruch wie Ackerbau, Feudalismus, Industrialisierung und Kapitalismus“. An drei Leitfragen geht sie dieser großen Transformation nach, fragt, wie Dinge wenden, wo ansetzen und wer die Veränderung anschieben könne. Dieser dritte Teil verweist dann wieder auf uns selbst. Aber wer bis dahin liest, hat viele Argumente und neue Sichtweisen gegen die große Vergeblichkeit bekommen.

Von der Größe der Aufgabe lässt Maja Göpel selbst sich nicht Bange machen: „Wir müssen ein paar Dinge anders machen. Aber wir können das auch.“ Was ja erst mal nur eine Behauptung ist. Als Beleg für ihre These verweist Göpel auf unser Thema, den Wandel und wie er entsteht, denn „kein Wandel käme aus dem Nichts“.

Maja Göpel beim Stiftungssymposium 2024

Vom 8.-10. November 2024 ist Maja Göpel beim Stiftungssymposium auf dem Benediktushof dabei.

Der Titel des Symposiums lautet: „Apokalypse now? Die Welt in Turbulenzen“.

Maja Göpel wird einen Vortrag halten zum Thema: „Wer wollen wir gewesen sein? – Aufbruch in die Welt von morgen“.

Um diese These und die Bedingungen des Wandels zu illustrieren, erzählt Göpel von einer Jugendlichen, die bewegend und eindrücklich auf einer weltweit beachteten internationalen Konferenz von den Grenzen des Wachstums spricht. Und für einen Moment die Welt zum Schweigen bringt, die sich danach weiter dreht, als wäre nichts geschehen.

Reif für den Wandel

Und nein, es ist nicht von Greta Thunberg die Rede, sondern von der damals 12-jährigen Severn Suzuki, die 1992 vor der ersten Konferenz der Vereinten Nationen über Umwelt und Entwicklung in Rio de Janeiro sprach. Am Beispiel von Gretas Rede vor den Vereinten Nationen 2019, als schon „kurz vor dem Gipfel mehr als vier Millionen Menschen in fast allen Ländern der Welt für mehr Klimaschutz auf die Straße gingen“, zeigt Göpel, dass der Wandel aus vielen kleinen Schritten entsteht, die Menschen in den Jahren zwischen den Reden der beiden jungen Mädchen überall auf der Welt gegangen sind.

Göpel schreibt: „In den fast 30 Jahren zwischen ihren beiden Auftritten hat das System der Nutzung fossiler Brennstoffe aus den unterschiedlichsten Gründen an Legitimität verloren – und wurde reif für einen Wandel.“

Wandel braucht Zeit

Auf über 300 Seiten will uns Maja Göpel „zur Hand, also zu unserem Handeln“ bringen, das nur „Schritt für Schritt“ erfolgen könne. Wem das zu langsam ist, den verweist die Autorin auf das Herz: „Es weist uns auf die Haltung hin, die wir in diesem Prozess einnehmen können, um ihn gut zu meistern.“

Wer auf der Suche nach Ermutigung und dem eigenen Anteil am Wandel ist, für den könnte es sich lohnen, Maja Göpel in ihren Ausführungen zu folgen. Am Ende gibt uns die Autorin eine letzte Frage mit auf den Weg: „Wo bin ich heute das Nächstmögliche gegangen, um dem Wünschenswerten näher zu kommen? Wenn das die Frage ist, mit der wir uns einbringen, kommt einiges in Bewegung. Und wenn Sie sich darüber mit anderen austauschen, da bin ich mir sicher, werden Sie eine Erfahrung machen: Wir können auch anders.“

Gerade weil sich in den letzten 30 Jahren, zwischen den Reden von Severn Suzuki und Greta Thunberg, so unendlich viel, an unendlich vielen Orten auf der ganzen Welt geändert hat, können uns heute viele Menschen inspirieren. Denn nicht nur Jugendliche, auch Eltern, Großeltern, Menschen in den kleinen den Megastädten und auf dem Land, Menschen in der Industrie und in der Landwirtschaft, auf der Südhalbkugel und auf der Nordhalbkugel, Lehrer:innen (auch spirituelle), Mediziner:innen und Wissenschaftler:innen: Überall spüren die Menschen die Klimakrise und suchen nach Lösungen. Einer der schon viele Lösungen gefunden hat, ist Per Espen Stoknes.

Ted-Talk mit Per Espen Stoknes

Noch mehr kompetente Inspiration

Stoknes ist norwegischer Umweltpsychologe und Politiker. In diesem weltweit beachteten Ted Talk erzählt er von seinen eigenen Erfahrungen. 2009 erlebte er, dass 100 000 Menschen beim Klimagipfel in Kopenhagen demonstrierten und „Wir müssen jetzt handeln“ riefen. Geholfen hat es nichts. Per Espen Stoknes war geschockt. Sieben lange Jahre dachte er nach, forschte. Sein Fazit: Wir Menschen errichten mentale Blockaden, die uns hindern, aktiv zu werden. Per Espen Stoknes lässt uns aber nicht ratlos mit den Erkenntnissen zurück, wie wir uns selbst boykottieren, sondern liefert fünf Schlüssel zur Überwindung unsere mentalen Blockaden.

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